Johannes „Elvis“ van den Bussche ist unser „Tätowierer der Woche“ . Im ersten Teil des großen Interviews erzählte er uns von seinem Weg vom Bauwagenpunk zum Tätowierer (hier geht es zu Teil 1). Heute geht es um Elvis‘ Erfahrungen mit den Maoris in Neuseeland. Lernen, lernen, lernen, lernen – und das unter zum Teil abenteuerlichen Umständen.
Elvis war also zurück in Hamburg, arbeitete im legendären „Endless Pain“-Studio. Und doch war da diese Sehnsucht zu reisen. Also brach er seine Zelte erneut ab und machte sich auf nach Neuseeland. Aber warum Neuseeland? Was treibt einen jungen Tätowierer aus Hamburg ans andere Ende der Welt? „Wegen einer Frau natürlich“, erzählt Elvis mit einem Grinsen auf den Lippen.
Elvis war Anfang 20, hatte eine Freundin, welch nach dem Abi nach Neuseeland gegangen war. „Es war dieses typische ‚jetzt nochmal ein Jahr lang unterwegs sein‘-Ding“, so Elvis. „Wir haben uns dann halt derbe vermisst und ich habe so scherzhaft gesagt: ‚Wenn du da nen Tattooshop findest, in dem ich arbeiten kann, komme ich mal vorbei.'“ Die Kontakte in Neuseeland waren schnell hergestellt – und Elvis „musste“ seinen Worten Taten folgen lassen.
Tätowierer der Woche Elvis: „Wie eine Führung durch meinen Tattookoffer“
Schon der erste Trip war „ziemlich geil. 30 Stunden Flug, ankommen, zwei Stunden bei der Security auschecken“, kommt Elvis wieder ins Plaudern. „Das weiß ich auch noch, ich hatte so nen ganzen Koffer mit Tattookram dabei. Also, wirklich alles, ich wusste ja nicht, was mich da erwartet.“ Die Sicherheitsbeamten seien da „steil gegangen“, allerdings nicht aggressiv, sondern vielmehr interessiert.
„Am Ende war das wie so eine Führung durch meinen Tattookoffer“, erzählt Johannes. „Da standen dann 5 oder 6 von diesen Uniformierten um mich herum, quetschten mich über Tattoos aus, blätterten durch meine Fotoalben. Darunter auch so große Maori-Typen, die sich von meinen Arbeiten begeistert zeigten.“ Draußen wartete seine Freundin, holte ihn mit nem Van ab – und am nächsten Morgen wachte Elvis irgendwo an einem Strand auf. „Das war der erste Step Neuseeland, da hatte sich das Ganze schon ins Fleisch gesetzt.“
Elvis: „Erstmal kennenlernen, auch oder gerade als Kultur“
Meditation - Kunst - Gewalt: Finissage am 04.08.2018
Aufgepasst: Die Ausstellung „Meditation – Kunst – Gewalt“ von Johannes „Elvis“ van den Bussche läuft noch bis zum 03.08.2018 im Fort Notch in Marl. Am 04.08.2018 findet dort dann auch die Finissage statt. Wer sich bis dahin noch einmal (oder auch erstmals) die Bilder der Ausstellung anschauen möchte, kann das gerne tun.
Fort Notch, Heyerhoffstr. 11a, 45770 Marl
Öffnungszeiten: Donnerstag & Freitag von 16 – 20 Uhr
Fragen zu Besichtigungen außerhalb der genannten Zeiten bitte per E-Mail an info@top-notch.org
Die Finissage findet am 04.08.2018 ab 17 Uhr statt. Um Anmeldungen unter oben stehender E-Mail Adresse wird gebeten.
So richtig tiefe Einblicke in das Leben als Tätowierer und Künstler in Neuseeland bekam Elvis allerdings erst viel später. „Auf Conventions arbeiten, Maorikünstler kennenlernen, mit denen rumhängen“, erzählt Elvis. „Und vor allem: lernen, lernen, lernen, lernen. Das dauerte alles seine Zeit.“ In seinem Fall hieß das: „Bei einem Typen recht lange rumzulungern, dessen Kühlschrank leerzuessen, sein Bier zu trinken… Das war sehr anders, als ich es mir vorgestellt hatte.“
Es war nicht so, dass Elvis als Deutscher zu den Maori kam und die machten gleich ihre Schatzkiste mit Wissen ums Tätowieren auf. „Man musste sich erstmal kennenlernen, auch oder gerade als Kultur.“ Natürlich checkte man gegenseitig die Maschinen aus, schaute dem jeweils Anderen beim Tätowieren zu. „Die wichtigen Lernerfahrungen aber, fand ich, machte ich beim Saufen oder beim Essen“, so Elvis weiter. „Und da fiel mir eben auf, dass die Jungs zum Großteil ein ganz ’normales Leben‘ führten und dem Klischee vom Esoterik-Maori mit ‚deep knowledge‘ einfach widersprochen haben.“
Was bedeuten die Zeichen, die die Maoris als Tätowierungen auf ihren Körpern tragen?
Nicht selten wurden abgemachte Lerneinheiten zur Geduldsprobe für Elvis. „Ich habe meinen Jungs sehr oft einfach beim Spielen von ‘Candy Crush‘ zugeschaut“, sagt er. „Und dann plötzlich wurde das Spiel beiseite gelegt und mein Kumpel packt die dicksten Geheimnisse aus.“ Andere Länder, andere Sitten – oder so. So gibt es bei den Maoris kein Wort für Kunst.
„Das ist ganz interessant, da sie ja alles beschnitzen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.“ Und das dann auch immer mit Bedeutung. Es wird aber nie ein Unterschied gemacht zwischen einem Alltagsgegenstand und einem Kunstgegenstand. „Das mochte ich, dieses auf eine bestimmte Art erdbezogene.“
Was aber bedeuten die Zeichen, die die Maoris als Tätowierungen auf ihren Körpern tragen? „Da wird die Geschichte des Trägers dargestellt.“ Könnte Elvis das nach all der Zeit des Lernens auch? Einem Kunden dessen Geschichte in ein Maoritattoo „übersetzen“? „Das ist ein ganz breites Feld“, holt Johannes weit aus. „Ich bin immer davon ausgegangen, dass bestimmte Symbole eine bestimmte Bedeutung haben. ‚Ein Dreieck heißt das und das.‘ Und dann hat es mich immer verwirrt, wenn ich unterschiedliche Maoris gesehen habe, die die gleichen Sachen gemacht, mir dann aber unterschiedliche Dinge erklärt haben.“
Wissen denn die Maoris am Ende selber nicht, was sie da in die Haut stechen? „‚It can mean anything‘, hat mir dann mein Kumpel erklärt“, so Elvis. „Es kommt immer auf den Kontext an. Das ist bei unseren klassischen Tattoos ja nicht anders. N Dolch oder n Burning Heart kann ja auch unterschiedliche Bedeutungen haben, auch wenn das Motiv das Gleiche ist.“
„Wer sagt, dass ich das nicht darf?“
„Meistens symbolisieren die Tattoos ein sogenanntes Whakapapa“, erklärt mir Elvis. „Das ist die Genealogie, die Familiengeschichte des Trägers. Oft gibt es eine center line, die Lebenslinie, von der dann die wichtigen Stationen des Lebens abzweigen.“ Lesen kann es letztlich nur der Träger selbst. „Es gibt ein unglaublich weites Feld von Interpretationsmöglichkeiten.“
Um das Ganze noch komplizierter zu machen: Es gibt unter den Maoris Traditionalisten und moderne Tätowierer. Während die Traditionalisten ganz klar nach alten „Mustern“ agieren, wagen sich die anderen auch an durchaus gewagte Farbkombinationen. „Wer sagt, dass ich das nicht darf?“ Es gibt zwar immer wiederkehrende Motive, wie diese letztlich ausgearbeitet werden, das obliegt dem Tätowierer.
Das Interview ist an dieser Stelle noch lange nicht zuende. Schaut am Freitag wieder rein, dann gibt es Teil 3 für euch zu lesen.
Werde auch DU „Tätowierer der Woche“ bei Reportink
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Norman / die Reportink-Crew