Wütende Zeiten verlangen wütende Musik. Da passt es wie die Faust aufs Auge, das die Mutwürger Dennis Lyxen und Mannen von Refused ein neues Album veröffentlichen. Naserümpfend hatte man die letzte Scheibe der Schweden “Freedom” aufgelegt, xte Reunion-Band macht xtes Reunion-Album, muss das sein? Musste. Muss.
Vielleicht brauchten Refused nach dem monumentalen “The Shape of Punk to come” einfach 17 Jahre, um sich von dem Erdbeben, was das Album 1998 auslöste, zu erholen. Denn “Freedom” scherte sich wenig um die Bedeutung und die Wirkung die das Vorgängeralbum hinterlassen hatte.
WEITERE ALBEN DER WOCHE BEI REPORTINK:
- Slipknot – We are not your kind
- Killswitch Engage – Atonement
- Korn – The Nothing
- Of Mice And Men – EARTHANDSKY
- Kadavar – For The Dead Travel Fast
Ab in die Refused-Revolution
Nun hat man sich als die Chefschreihälse des politischen Hardcore-Punks etabliert und veröffentlicht im Auge des aufkeimenden Populismusses allerorts “War Music”. Los geht’s mit “Rev001” und sphärischem Gesang. RE – VO – LU – TION – ONE!!!!!” brüllt Lyxen und ab geht die Verweigerungsmaschine.
Typisch vertrackte Strophen, ein tonnenschweres Riff im Refrain, Refused klingen eine ganze Ecke weniger garagig, sperrig, die Produktion ist auf groß gemacht. Im Stadion reckt sich die Faust ja auch ganz gut. Ohne Atempause geht es weiter mit “Violent Reaction”. Das Introriff klingt verdächtig nach dem bekanntestem Song von Refused: “New Noise”.
Nanu – Lyxen singt auch mal
Was im ersten Song nur verhalten anklang, tritt jetzt deutlicher hervor: Lyxen singt auch mal. Das klingt, gerade wenn man an seine Schreie so gewöhnt ist, ungewohnt. Aber bricht mit zu viel Wiederholung. Und wenn Refused eins können, dann Erwartungen ignorieren.
“I Wanna Watch The World Burn” ist dann endgültig die Schulterschluss mit tanzbarem Indie à la Kaiser Chiefs. Aber keine Sorge, es sind genug Breaks, genug unerwartete Akkordwechsel drin, dass das nicht glatt gebügelt oder beliebig klingt. Blutrot geht’s weiter mit “Blood Red”. “I remain with blood on my hands”, schreit Lyxen los. Und dann im Breakdown, eine Westerngitarre?! Lagerfeuer zum Molotowcoktail? Cowboyhut zur Sturmmaske? Ist alles noch schön voller Wut, voller Straßenbarrikaden, aber eben auch voller Überraschungen im Refused-Universum. Und na klar, nach hintenraus gibt’s (natürlich) noch ein kurzes zweistimmiges Metal-Gitarrensolo. Warum auch nicht!
Refused kommen mehr aus der Hüfte, weniger aus dem Kopf
“Malwire” ist für Refused-Verhältnisse ein eher verhaltener Song. Behält etwas vom Westernfeeling, ein echter Stampfer. Und wieder diese ungewohnte Singstimme. Aber nach anfänglichem Unwohlsein muss man echt sagen, dass diese neue Abwechslung erstaunlich gut funktioniert. Satanisch wird’s bei “Turn the Cross”. Und bitterböse im schönsten Hardcore nach vorne feuernd.
“Damaged III”, der vierte von fünf Songs, der eher an den drei als den vier Minuten kratzt, könnte genauso im Rage-Crossover der 90er zu Hause sein. Die Kürze vieler Songs auf “War Music”, das Schneller-zum-Punkt-kommen, ist in der Welt von Refusedsongs, in denen auf Jazz, auf Drum n` Bass, auf Filmsample, ein Halftime und dann noch mal das Intro folgt ungewohnt. Mehr aus der Hüfte, weniger aus dem Kopf.
Arschwackeln und Hüfteschwingen
“Death in Vännäs” hat eine ähnliche Atmosphäre wie “I Wanna Watch The World Burn”. Fast schon funky, man erwischt sich beim Arschwackeln und Hüfteschwingen. Wie und warum in Vännäs gestorben wird, ist in “Death in Vännäs” nicht ganz klar. Der Song scheint eine Abrechnung mit einer alten Heimat, einer Vergangenheit zu sein und Menschen, die man dort zurückgelassen hat.
Kennen wir doch. Mit der berüchtigten Akademikerlinke wird in “The Infamous Left” abgrechnet. Weniger Theorie, mehr Straßenkampf! Lyxen knöpft sich den Teil der Linken vor, die sich hinter Theorien und Utopien verstecken und dabei ausblenden, dass draußen ganz viel Realtität in ganz anderer Richtungen läuft. “Rise up right now!”.
“Economy of Death” schließt leicht metallend mit Rock n`Roll Rhythmus und Double-Bass drunter diesen Ritt ab. Kurz noch eine Prise 80er-Metallica-Riff reingestreut, ist man wohlig zer- und ver-stört, bereit für die nächste Runde Wut. “War Music” zeigt Refused erwachsener und fokussierter. Den einen wird das gefallen, andere werden ihnen Ausverkauf vorwerfen. Refused wird das herzlich egal sein.