Wofür oder bei wem Killswitch Engage wohl um Vergebung bitten mit ihrem neuen Album “Atonement” (dt. Vergebung)? Bei sich selbst? Ihren Fans? War doch Vorgänger “Incarnate”, was Sound und Produktion betraf, eine ziemliche Kopfgeburt. Kreative Blockaden bei Sänger Jesse Leach hatten das Songwriting geplagt, alle KE-Alben müssen zum Vergleich mit Urgewitter “The End of Heartache” antreten und “Incarnate” stolperte da gehörig.
Drei Jahre später bringen die Metalcore-Götter nun also “Atonement” raus. Dem vorausgegangen waren eine ungewöhnliche lange Produktionszeit von fast zwei Jahren, was vor allem einer heftigen mehrmonatigen Stimmentzündung Leach’s geschuldet war. Das hat der kreativen Ader der Band aber nicht im Geringsten geschadet.
Killswitch Engage stellen alles auf Angriff
Killswitch feuern, brettern und hämmern auf “Atonement” wie zu besten “Heartache”-Zeiten. Die erste Single – und gleichzeitig erster Track auf dem Album – “Unleashed” hatte schon Ende Juni klar gemacht, dass hier alles auf Angriff eingestellt ist. Ein Urschrei, ein Double-Bass-Gewitter mitten im schönsten Haltime-Gemoshe, immer wieder die geliebte Auflösung und wunderschöne, melodiöse Parts zum Ausatmen.
Bei “The Signal Fire” hätten auch Corey Taylor und seine Slipknot-Wahnsinnigen ihren Spaß. Killswitch lädt kurzerhand Ex-Sänger Howard Jones als Gast ein. Es wird gegrowlt, gefeuert, ge-doublebasst, was das Zeug hält. Zwei Schreihälse stehen der Band gut; die so unterschiedlichen Klangfarben von Leach und JOnes ergänzen sich prächtig. Im Angriffsmodus geht’s weiter bei “Us against the world”. Etwas Cliché-geladen geht der Song los, wird dann aber von der Band so aufgelöst und nach vorne gebangt, wie es nur Killswitch können.
Kurz, knackig, mit Karacho
Testament-Sänger Chuck Billy kommt bei “The Crownless King” als zweiter und letzter Gast des Albums zu seinem Feature. Auch hier spielt sich die Band schwindelig in ihren Wechseln zwischen Half-time, Fulltime, Double-Time und Screamtime. Bei “I am Broken too” wird die Stimmverwandtschaft von Leach zu Corey Taylor (Eher Stone-Sour-Taylor als Slipknot-Taylor) noch einmal überdeutlich. Zwar ist der Song mit zwei Minuten neununddreißig ganz schön kurz geraten, das tut ihm aber gut.
Überhaupt sind Killswitch auf “Atonement” viel mehr auf den Punkt und aus der Hüfte als beim Vorgänger, wo man mit 15 (statt jetzt 11) Songs, die teilweise fast sechs Minuten lang waren, etwas um den heißen Brei herum moshte. Nicht so bei “Atonement”. Auch Song Nummer sechs “As sure as the Sun will rise” bleibt unter der drei Minuten Marke, hält sich nicht lange mit Kinkerlitzchen und ewigen Intros auf. Kurz, knackig, mit Karacho.
Killswitch Engage bleiben im eigenen Gewitter
“Know your enemy” lässt kurz aufhorchen – hat man es etwa gewagt hier einen der legendärsten Rage-against-the-machine-Songs zu covern? Kann das gut gehen? Aber keine Sorge, da ist nur der Titel gemeinsam, Killswitch Engage bleiben schön im eigenen Gewitter. Und selbst hier, am Ende des zweiten Albumsdrittels wird es nicht langweilig, eintönig. Die Halftime-Parts, das Solo, die Breaks – alles macht immer noch Laune.
“Take Control” übernimmt genau diese, legt los, feuert weiter. Und dann “Ravenous”. Böse. Bitter-, bitterböse. Wer nicht spätestens hier Killswitch Engage vergeben hat, ob sie sich selbst, die Fans oder der heilige Metalgott, dem ist auch nicht mehr zu helfen.
Mehr Boysetsfire, weniger Slipknot
“I can’t be the only one” ist das Yang zum “Ravenous”-Ying. Nach vorne geht’s schon auch, mehr Boysetsfire, weniger Slipknot, aber zwischendurch wird regelrecht innegehalten. Das braucht man auch. Auch “Bite the Hand that feeds” wildert in fremden Songtitel-Gefilden. Der Anti-Bush-Song “The Hand that feed” von Nine Inch Nails von 2005 hat aber wirklich nur den Titel mit dem Albumabschluss gemeinsam.
„Where do we go from here? We won’t go quietly!“
Noch einmal wird aus allen Rohren gefeuert, die Band gönnt sich keine Pause. Nach elf Songs, neununddreißig Minuten zieht das “Atonement”-Gewitter weiter. Leach fragt: “Where do we go from here” und antwortet sich selbst: “We won’t go quietly”. Da hat er recht.