Turbostaat

Turbostaat

Seit 1999 schon macht die deutsche Punkrockband „Turbostaat“ die Lande unsicher. Jetzt hat die Band ihr fünftes Album „Stadt der Angst“ herausgebracht – und unseren guten Freund Julian damit völlig überzeugt.

Eines vorweg: Ich habe eine gefühlte Ewigkeit gebraucht, um mitTurbostaat warm zu werden. Einheitsbrei mit gekünstelt kryptischen Texten, so meine vorschnelles Urteil. Oh mein Gott, was war ich damals für ein verwirrter Geist. Die Erleuchtung kam vor beinahe sechs Jahren, als die fünf Punkrocker aus Flensburg ihr drittes Album „Vormann Leiss“ auf den Markt schmissen. Der lieben Chronistenpflicht willen fand das Werk den Weg auf meinen Mp3-Player – und da dreht es samt aller Vorgänger immer noch seine Runden. Mit einem Mal wurde Kryptisches klar und meine Ablehnung schlug in beinahe übertriebene Zuneigung um.

Vorteil und Nachteil zugleich für das neueste Album „Stadt der Angst“, das seit Kurzem in den analogen und digitalen Plattenläden käuflich zu erwerben ist. Kaum einem anderen Album bin ich in letzter Zeit dermaßen wohlwollend begegnet, doch auf der anderen Seite sind die Erwartungen seit meiner Erleuchtung auch riesengroß.

Und dann geht’s los: „Siehst du die Fassaden/dieser wunderschönen Stadt, in der jahrelang das Nichts regiert/und niemand Freude hat/Die erste Finte war der Pilz, der blühte und dann trieb/die Sporen tief ins Mauerwerk/von außen kaum zu sehen.“ Schon nach den ersten Zeilen des Openers „Eine Stadt gibt auf“ stellt sich das Kribbeln und die Vorfreude auf weitere Textblüten ein.

Und die gibt es auf „Stadt der Angst“ zuhauf. Noch ein Beispiel? Bitte: „Ein Leben lang Kassenwart/Psychoreal/ Eierlikörgefangenschaft.“ Doch Vorsicht! Wer sich zu sehr ins Detail verliebt, verliert das große Ganze leicht aus den Ohren.

Getreu dem Titel „Stadt der Angst“ zeichnen Turbostaat das beklemmende Bild einer Metropole, deren Einwohner den tagtäglichen Kampf um menschenwürdige Arbeitsbedingungen und erschwinglichen Wohnraum zu verlieren scheinen. „Starr! Kalt! Brutal!“ Für die Vielfalt und gegen Yuppisierung – so lautet die Botschaft der Nordlichter um Sänger Jan Windmeier und Songwriter Marten Ebsen, aus dessen Feder auch auf „Stadt der Angst“ wieder die meisten Songs stammen.

Musikalisch ist es das vielleicht verträglichste Werk der Punkrocker. Wo der Vorgänger „Island Manöver“ noch durchgängig rauh und manchmal etwas experimentell daherkam, haben sich bei „Stadt der Angst“ hin und wieder sogar beschwingte Passagen eingeschlichen. Perfekte Einsteiger-Songs für alle diejenigen, denen Turbostaat bislang ähnlich suspekt ist, wie mir damals: „Tut es doch weh“ und „Willenshalt“. Man schunkelt mit und der Übergang zu den schwerer verdaulichen Stücken wie „Psychoreal“ oder „Fresendelf“ wird fließender.

Auf die nötige Portion Auskotzen muss man trotzdem nicht verzichten – dem Turbostaat-typischen aggressiven Gesang sei Dank. Niemand kann ein „alles ist Scheiße“ so glaubhaft ausspucken, wie Sänger Windmeier.

Insgesamt ein starkes Stück, dass Turbostaat hier abgeliefert hat. „Alles bleibt konfus“ heißt der siebte Track. „Alles bleibt konfus“ lautet auch meine Erkenntnis nach mehrmaligem Hören. Und genau deswegen machen Turbostaat einen solchen Spaß.

Liebe Grüße,
Euer Julian