Vicky und Robert von Boysetsfire (Foto: BonnyGraphy)

Vicky und Robert von Boysetsfire (Foto: BonnyGraphy)

Es gibt Konzerte, von denen man will, dass sie nie enden. Und es gibt Interviews, von denen man will, dass sie nie enden. So erging es Vicky mit Boysetsfire in Berlin. Hier fand sie heraus, warum es bei den Jungs auf der Bühne meistens nach Räucherstäbchen riecht und vieles mehr.

VICKY:
Das ist mit Sicherheit das zigtausendste Interview, welches du seit der Veröffentlichung von „While a Nation sleeps“ gibst. Hast du bzw. habt ihr da noch Bock drauf?

ROBERT:
Also ich habe da total Bock drauf.  Weil ich zwei Sachen am liebsten mag: nämlich neue Leute treffen und über mich selber reden. Das ist jetzt natürlich eine wunderschöne Combo, da ich euch beide noch nie vorher gesehen habe, freue mich euch zu treffen und ich darf über mich selber reden. Ohne das mich jemand stoppen kann! (lacht) Soll heißen, ich möchte eigentlich gerade nirgendwo anders sein.

VICKY:
Ja, geht mir genauso. Ich habe gelesen, dass das neue Album hauptsächlich auf bereits vorhandenen Demos und Ideen basiert. Ist das so richtig?

ROBERT:
Nein, das ist falsch. Jedes Boysetsfire-Album besteht logischerweise aus Ideen, die es teilweise schon vorher gab. Am Anfang hat man ein Lied, möchte es gern auf eine Platte packen, aber irgendwie passt es nicht so wirklich. Wo man sich denkt, es wäre ein guter Song, der aber nie so richtig die Kurve gekriegt hat. An manchen arbeiten wir seit zehn Jahren – und das macht einen ab und an echt wahnsinnig.

VICKY:
Und wenn es dann hinhaut, kann man sich das wie einen Orgasmus vorstellen, oder wie?

ROBERT:
Ja genau, ich habe in der Tat gerade auch nach einem sexuellen Vergleich gesucht. Ich sehe wir verstehen uns. (alle lachen) Es ist dann wirklich so, dass man sich in die Augen schaut und spürt, dass es jetzt endlich passt. Es gibt aber natürlich auch ganz neue Songs. Ist so 50:50.

WIE TROTZIGE KLEINE JUNGS

VICKY:
Wart ihr sehr überrascht, als „While a Nation sleeps“ direkt auf Platz 22 in die Charts einstieg?

ROBERT:
Wir waren sehr überrascht. Die Hoffnung war natürlich groß, dass die Leute das Album mögen, wobei ich sagen muss, wir haben wieder einfach gemacht worauf wir Bock haben. Auch einer der Gründe, warum uns einige Plattenfirmen schon immer so hassenswert fanden. Wir machen einfach das, was uns gefällt, wie trotzige kleine Jungs.Wir sind denke ich so eine Art Mittelfinger zu dieser ganzen Industrie. Haben es ohne riesen Plattenlabel und diese Sachen geschafft und da sind wir auch sehr stolz drauf.

VICKY:
Ich gehe jetzt auch mal stark davon aus, dass ihr eure Fans nicht nochmal  7 Jahre warten lasst bis zum nächsten großen Ding?

ROBERT:
Nein, das hoffe ich sehr, dass es nicht nochmal so lange dauert. Weil seien wir doch mal ganz ehrlich, 7 Jahre (!) – wie langsam kann man denn sein? (lacht) Dieses Mal hat die Studiozeit auch richtig viel Spaß gemacht. Bei der letzten Platte war es einfach nur ein Schmerz in meinem Arsch, ich glaube ich bin 18 mal emotional aus der Band ausgestiegen (lacht). Jetzt aber genau das Gegenteil und High Five!

WENNS AM SCHÖNSTEN IST, SOLL MAN AUFHÖREN

VICKY:
Warum habt ihr euch eigentlich damals getrennt?

ROBERT:
Du wirst lachen, wir sind im Park spazieren gegangen und haben zurückgeschaut, was wir bisher schon alles erreicht haben. Haben festgestellt, dass wir alle Punkte auf unseren To-Do-Listen abhaken konnten und das eben auch viele andere Sachen zu kurz kamen. Wie ein Studium oder andere Dinge. Dann dachten wir uns: „Hey vielleicht sollten wir diese eine Band sein, die jetzt aufhört wenn‘s am schönsten ist“, als Freunde selbstverständlich. Jeder sagt es und keiner macht‘s. Ewig haben wir das auch nicht durchgehalten aber wir haben es gebracht.

VICKY:
Wie kam es dann zur Wiedervereinigung?

ROBERT:
Wir haben einfach unterschätzt wie sehr uns das Ganze fehlt. Ich hatte ja dann komplett alle meine Instrumente verkauft, aber irgendwann hat es wieder gejuckt.

VICKY:
Du bist unter anderem ein sehr gläubiger und spiritueller Mensch, inwiefern hat dir dieser Glaube in deinem Leben geholfen?

ROBERT:
Mir hat mein Glaube bisher unglaublich viel geholfen. Ich bin seit ich 16 bin, sehr interessiert an indischer Spiritualität. In unserer Band ist es eher so eine manisch depressive Zusammenkunft aus lauter Verrückten. Josh ist Christ, Nathan quasi das genaue Gegenteil und ich hab halt mein Krischnading, was mir am meisten gibt. Ist aber was ganz Persönliches für mich. Deshalb riecht es bei uns auf der Bühne auch immer nach Räucherstäbchen. Fans von Organisationen wie Kirche und Co. sind wir aber alle nicht. Was mir sehr wichtig ist, ist tägliche Meditation. Für mich gibt es einen riesigen Unterschied zwischen Religion und Spiritualität: Bei Spiritualität geht es um ganz eigene persönliche Erfahrungen mit etwas und Religionist, wenn ich dir erzähle, das mein Weg der Beste ist und du das bitte auch so machen sollst. Da ziehe ich für mich die Grenze, auch bei meinen Kindern und meiner Frau.Vor kurzem hat mir ein Freund gesagt: Religion ist für Menschen, die Angst vor der Hölle haben, Religion ist für Menschen, die schon mal in der Hölle waren. Einfach auf den Punkt gebracht. Danke, dass du diese Frage gestellt hast.

VICKY:
Kommen wir zu meiner letzten Frage: Wie sieht dein perfekter Sonntag aus?

ROBERT:
Am schönsten ist es für mich, ganz früh aufzustehen, mit meinem Hund auf den Olympiaberg zu laufen, dann ab nach Hause und vegane Pancakes frühstücken. So viel Zeit wie möglich mit der Familie verbringen und so wenig wie möglich arbeiten.

Vielen Dank für ein wirklich tolles Interview!