Liebhaberlabel Uncle M: aus Liebe zur Musik

Norman: Hi Mirko, schön, dass Du Dir die Zeit nimmst, uns ein bisschen was über Dein Label Uncle M zu erzählen. Fangen wir aber einfach mal ganz vorne an – stell Dich unseren Lesern/Usern/Fans doch erstmal kurz vor.
Mirko: Hallo Norman, danke für das Interview. Ich betreibe in Münster neben vielen anderen Projekten auch meine eigene kleine Firma, das Label Uncle M. Ich liebe Hannover96 und bin ein furchtbarer Tänzer.

Was hast Du vor der Labelgründung so gemacht?
Bevor ich Uncle M Ende 2011 gründete, habe ich über 10 Jahre lang exklusiv das kalifornische Label Sideonedummy Records in Deutschland und anderen Teilen Europas vertreten. Dabei habe ich Bands wie The Gaslight Anthem, Flogging Molly, Gogol Bordello von der Pike auf begleitet und langsam aufgebaut. Parallel dazu hatte ich die Gelegenheit, für unzählige andere großartige Punk/Hardcore Bands zu arbeiten – eine Aufzählung würde hier den Rahmen sprengen.

2005 habe ich mich zudem der Münsteraner Agentur Cardiac Communication angeschlossen und betreue in dieser Funktion (weiterhin) für Firmen wie Titus, Vans, Lee Jeans, Eastpak unterschiedlichste Projekte.

Wann ist der Wunsch, der Gedanke, die Idee in Dir gereift, etwas eigenes aufzuziehen? Und warum überhaupt?
Das war im Winter 2010/2011… ich war etwas gelangweilt davon, fast ausschließlich für US-Bands zu arbeiten und wollte wieder mehr mit jungen, hungrigen deutschen Bands zu tun haben. Parallel dazu hat sich der Musikbereich immer mehr dynamisch gewandelt und ich habe eine eigene Arbeits-Philosophie entwickelt, wie man diese Krise bewältigen kann. Auf das Rumgejammer der anderen hatte ich keine Lust mehr, sondern wollte selbst etwas auf die Beine stellen. Fast ein Jahr lang habe ich mir dann den Kopf zerbrochen und irgendwann einfach den Mut gefaßt für diesen Schritt. Und es seitdem nicht 1 Sekunde bereut.

Wie würdest Du Dein Label in einem Satz beschreiben?
Uncle M ist ein genreübergreifendes Liebhaberlabel mit politischem und sozialem Background.

Jetzt ist Uncle M ja nunmal nicht das einzige Label in Deutschland, geschweige denn weltweit. Was treibt Dich an, gegen die Majors dieses Planeten anzutreten?
Gegen die Majors trete ich zum Glück ja gar nicht an, die sind derzeit viel zu sehr mit sich selbst und dem Medienumbruch beschäftigt.

Was aber Labels allgemein angeht: Ich bin in der tollen Situation, niemanden als meinen „Gegner“ wahrzunehmen – im Gegenteil, es kann gar nicht genug Plattenfirmen geben. Mit dutzenden anderen  sind wir freundschaftlich eng verbunden, man tauscht sich aus und hilft einander. Es ist ein MIT- und kein GEGEN-einander.

Was mich antreibt? Die Liebe zur Musik. Und der Wunsch, Musiker die ich sehr schätze, einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen.

Im Buch „Kill Your Friends“ von John Niven gibt der Autor dem Leser einen Enblick in die Welt der Major-Labels. Sex, Drugs, Money, Rock’n’Roll – und all das im Übermaß. Schwimmst Du als Label-Boss auch im Geld, hast in jedem Hafen mindestens eine Braut und kokst, bis der Notarzt kommt?
Vorweg: Ich fand das Buch furchtbar. Mit meinem Arbeits-Alltag hat es soviel zu tun wie Marsmännchen. Jedoch hat Niven in einem Punkt Recht: Die Major-Musikindustrie hat gerade in den 90er Jahren unfassbar viel Kohle verdient und sinnlos verpulvert.

Anno 2012 ist das anders. Man kommt nur noch dann gut aus, wenn man es schafft, sich breit aufzustellen und Probleme mit Ideen statt mit Geld zu lösen. Aber das ist für ein reißerisches Buch leider viel zu pragmatisch 😉

Was mich angeht: Wie ich schon schrieb betreue ich nebenbei noch weitere Projekte, booke einige Shows oder gebe seit 2011 auch Management-Workshops. In der Summe kann ich absolut OK davon leben. Von Dagobert-Duck`schen Verhältnissen kann hier aber nicht die Rede sein.

Nach welchen Kriterien suchst Du die Künstler, mit denen und für die Du arbeiten möchtest, aus? Und wie kommt die Arbeit dann zustanden? Einige Hochkaräter sind ja schließlich auch dabei. Ich denke da jetzt an Flogging Molly, Anti Flag oder Hot Water Music…
Ich möchte mit Menschen arbeiten, die mehr zu sagen haben als auf den 10 Songs auf ihrem Album. Das spiegelt sich im besten Fall an spannenden künstlerischen Aktionen wieder. Oder in sozialem & politischem Engagement. Fast alle „meiner“ Bands sind ja beispielsweise für Nichtregierungsorganisationen aktiv und nutzen ihre Öffentlichkeit für sinnstiftende Aktionen – das finde ich inspirierend und wichtig.

Dann achte ich darauf, mit Bands zu arbeiten, die auf dem Boden geblieben sind. Flogging Molly beispielsweise spielen vor zigtausend Leuten und gehen sofort nach der Show nach vorne zu den Fans an die Theke. So eine Normalität ist eine Grundvoraussetzung, daß ich Menschen ernst nehmen kann. Wer Allüren hat, ist bei mir nicht gut aufgehoben.

Was das Zustandekommen neuer Signings angeht: Das eine ergibt inzwischen das andere. Die Punk/Rock Welt ist winzig, „man kennt sich“. Viele meiner Bands sagen, daß ich in den letzten 15 Jahren einen guten Job für sie gemacht habe als Promoter/Label und empfehlen mich weiter, insofern kommen fast alle Anfragen inzwischen von alleine.

Was konkret machst Du, wenn Du eine Band aufs Label gezogen hast? Wie sieht die Arbeit mit einer Band aus?
Da gibt es zwei Seiten. Die eine Seite ist die technische: Cds und Lps werden produziert, also habe ich viel mit Tonstudios, Grafikern und Presswerken zu tun, koordiniere den VÖ Termin mit unserem Vertrieb und schmeiße ab einem gewissen Moment die Promomaschine an.

Die andere Seite ist, daß ich den Bands meine „Philosophie“ nach und nach näherbringe. Im Gegensatz zu früher reicht es heutzutage halt nicht mehr aus, ein Album zu releasen und 1mal auf Tour zu gehen. Vielmehr musst Du Dir als Band heutzutage rund um die Uhr den Arsch aufreißen und Monat für Monat mit neuen Aktionen Deine Fans bei Stange halten. Diese Aktivitäten entwickeln wir auch in enger Absprache mit den Bands und arbeiten ab der Unterschrift oft mehrere Jahre tagtäglich intensiv am gemeinsamen Erfolg.

Was denkst Du unterscheidet Uncle M da von anderen Labels?
Jedes Label hat seine eigene Philosophie und einen eigenen Sound. Oder sollte es jedenfalls haben.

Ich denke, was Uncle M auszeichnet, ist unsere musikalische Abwechslung und das schon genannte soziale und politische Engagement. Alle Bands haben etwas zu sagen, zeigen eine enorme Fannähe und das findet sich hoffentlich auch in unserer täglichen Arbeit wieder.

Welche Art von Musik bevorzugst Du selbst? Ein Blick auf die Bands Deines Labels zeigt ja doch ein recht breites Spektrum…
Ich höre seit fast 20 Jahren Hardcore und Punkrock, das ist mein „Gerüst“, auf dem zumindest ideologisch alles aufbaut. Gleichzeitig langweilen mich viele aktuelle Veröffentlichungen aus diesen Bereichen, weil vieles halt „schonmal gehört“ klingt. Ich suche also nach spannenden Künstlern, die es schaffen, ihren eigenen Stil zu finden – sei es textlich, visuell oder musikalisch. Und die dennoch mit mir auf einer Wellenlänge ticken.

Das ist dann mal straighter California-Punkrock, mal ein ruhiger Songwriter und mal eine 9köpfige Skapunk Band. Mal groß, mal klein. Ich mag mich da nicht festlegen. Solange gute Hooklines und enorme Spielfreude an Bord sind, bin ich Fan!

Privat höre ich in letzter Zeit übrigens viele ruhige Sachen und finde viele moderne Americana-Platten stark.

Wo geht es hin mit Uncle M? Was sind die Pläne fürs kommende Jahr?
Ich habe mehr Pläne als Haare auf der Brust, soviel steht fest.

Im Oktober zum Beispiel werde ich die Promo für Captain Planet übernehmen, eine der smartesten deutschen Punkbands, die ich kenne.

Zudem werde ich mit Apologies I Have None (aus England) und den Swellers (USA) zwei meiner derzeit absoluten Lieblingsbands auf Platte (in sehr aufwändigen Sammler-Editionen) herausbringen. Dann stehen da noch Touren von Chuck Ragan (mit seiner Revival Tour), Radio Havanna, Hot Water Music, Anti-Flag, Nothington und und und an – langweilig wird mir da sicher nicht.

Zuguterletzt wird Uncle M bei einem neuen Vinyl-Webshop mitmischen, der Ende August an den Start gehen wird und wie ich hoffe, sowohl vom Sortiment als auch vom Gesamtpaket alles in den Schatten stellen wird, was bisher in Deutschland im Web/Vinyl Bereich am Start ist.

Mit 2013 werde ich mich frühestens ab September/Oktober anfangen zu beschäftigen…