Es gibt so Tage, an denen passt so gut wie alles. Wie eben dieser zweite Tag auf dem Greenfield Festival 2019. Bombenwetter (mal wieder), nette Leute (wie immer, eigentlich), geile Bands (logisch!). Und dann letztlich die Zusage: SLIPKNOT! Fotograben! Yeah! Und plötzlich ist man wieder acht Jahre alt…
Der Beruf (oder die Berufung?) des Konzertfotografen ist immer ein Balanceakt zwischen Arbeit (funktionieren müssen) und Fansein (holy shit, das sind doch…). Bei mir ist das auch fast immer so. Klar, sobald ich vorne vor der Bühne im Fotograben stehe, weiß ich (grob), was zu tun ist. Ich kenne meine Kameras, kenne auch in 90 Prozent der Fälle die Bands, die ich da ablichten soll. Und doch schleicht sich da immer wieder dieser letzte Funken Unsicherheit ein. Nämlich genau dann, wenn es eine meiner Lieblingsbands ist, die da plötzlich greifbar nah vor mir abrockt.
Greenfield Festival 2019: Slipknot sorgen für feuchte Hände
Das war bei meinen allerersten Gehversuchen als Konzertfotograf so (ja, ich durfte damals gleich mit den Foo Fighters beginnen), und das ist auch heute immer noch so – und es bleibt auch hoffentlich noch sehr lange so. Als ich das Lineup fürs diesjährige Greenfield Festival las und sich der Name SLIPKNOT vor meinen Augen manifestierte… was hatte ich feuchte Hände. Diese Jungs wollte ich schon „immer“ vor die Linse bekommen. Immer, also solange, wie ich das hier mache.
Als ich am Donnerstag die ersten Worte mit dem Presseverantwortlichen hier in Interlaken gewechselt habe (an dieser Stelle mal ein großes DANKE an Michael Andai für seine echt hervorragende Arbeit!), waren zwei Dinge klar: Die Toten Hosen und Feine Sahne Fischfilet bekomme ich nicht vor die Linse. Geschenkt. Für Slipknot wird es noch einen zu unterzeichnenden Vertrag geben. Inhalt? Dieses Fragezeichen war zu dem Zeitpunkt noch recht groß. Denn wenn es um Verträge mit Fotografen geht, lassen sich große Bands gerne die absurdesten Dinge einfallen.
Slipknot wollen mir nicht meine Rechte aus der Tasche leiern
Gestern gab es dann den Vertrag, zu lesen und zu unterschreiben. Alles „ganz normale“ Rahmenbedingungen. Ich darf meine Fotos nur auf Reportink verwenden, keine T-Shirts damit bedrucken und verkaufen, blablabla. Aber Slipknot wollen mir weder die Rechte an meinen Bildern aus der Tasche leiern, noch selbst irgendwie daran verdienen. Also den Kugelschreiber gezückt, das Pamphlet mit meinem Namen geziert – und zack!, gab es den erhofften zusätzlichen Aufkleber für den Pressepass, der meinen Eintritt in den Fotograben ermöglichen sollte (später gab es dann zusätzlich auch noch ein kleines Armband mit der Aufschrift „SLIPKNOT World Tour“).
Und ganz plötzlich war ich wieder acht Jahre alt. Aufregung machte sich breit in mir. Riesige Freude, Endorphine. Das musste der Welt da draußen mitgeteilt werden. Whatsapp-Nachricht an die Frau, die zuhause auf das Kind aufpasst und mir den Rücken für das hier freihält (ohne sie wäre ich nicht hier). Instgram-Post, weil heute ja auch die „Fans und Follower“ bedient werden wollen. Und dann natürlich Mama, die an einem solch tollen Moment teilhaben muss.
Und dann heißt es plötzlich: So, jetzt ist funktionieren angesagt!
Fuck. Slipknot. Ich? Da war sie wieder, die angesprochene Unsicherheit. Ich soll da vorne rein? Ich soll diese Megatruppe fotografieren? Eine gute Stunde rumort es in mir. Die Hände schwitzig. Der Puls geht deutlich schneller. Irgendwann stehe ich dann vorne am Rand der Bühne, schaue in die Gesichter der Fotografenkollegen, die alle – so wie ich – auf den erlösenden Moment warten, den Fotograben betreten zu dürfen. Für mich ist es ein wenig wie der Einmarsch der Gladiatoren, wenn ich zusammen mit dem Fotografenpulk vor dem ersten Song durch den Graben schreite. Ob die anderen das ähnlich sehen? Who cares. Die Zuschauer zumindest sehen das anders, da bin ich mir sicher.
Die sind meist eher genervt, schließlich kommen da jetzt rund 20 Vögel, die sich für die ersten drei Lieder vor sie stellen – obwohl sie doch so lange ausgeharrt hatten, um in der ersten Reihe zu stehen. Egal. Rein da, die richtige (hoffentlich zumindest) Position finden. Und funktionieren. Kameras hoch. Einstellungen kontinuierlich checken und anpassen. Fotos machen. Scharfe Fotos, auf denen das Wichtige, im Idealfall die Essenz der auftretenden Band zu sehen ist. Vielleicht auch einen unvorhergesehenen Moment einfangen, dieses eine besondere Foto aufnehmen, das einen selbst mit Stolz erfüllt.
Wenn aus einem Fragezeichen ein Ausrufezeichen wird
Nach drei Songs ist dann auch schon wieder alles vorbei. Die Karawane zieht ab, der Fotograben bleibt verwaist zurück. Die Aufregung weicht einer inneren Zufriedenheit. Hell yeah! Slipknot. Ich! Aus dem Fragezeichen wurde ein Ausrufezeichen. Ich habe funktioniert.
Grüße aus der Schweiz,
Euer Norman
P.S.: Slipknot waren natürlich die Spitze des gestrigen Eisbergs. Fotos von Lamb of God, Underoath, Eskimo Callboy… und und und kommen die Tage noch.