Against Me!-Frontfrau Laura Jane Grace (Photo: Milena Zivkovic)

Against Me!-Frontfrau Laura Jane Grace (Photo: Milena Zivkovic)

Reportink hatte die Ehre, ein Interview mit einer der schönsten Seelen und großartigsten Künstlerinnen der Welt zu führen. Laura Jane Grace, Frontfrau von Against Me! beantwortete unserer Kiki Fragen zum letzten Album „Transgender Dysphoria Blues“, ihrer Solo-Tour, ihrer zahlreichen Aktivitäten neben der Musik uvm. Ein wirklich interessantes und vor allem bereicherndes Interview mit einer Persönlichkeit, die durch schwere Zeiten ging und endlich die Mauer zum eigenen Selbst durchbrochen hat. Wir können sehr viel von ihr lernen.

Kiki: Die Entstehung deines letzten Albums „Transgender Dysphoria Blues“ ist mit einem langen Prozess verbunden. War dieses Release für dich eine Art Aufklärung und Therapie, um als eine Transgender Person verstanden zu werden?
Laura Jane Grace: Es hatte definitiv einen therapeutischen Grundgedanken. Gerade der Prozess dieses Album zu machen, verlief in diese Richtung. Zu dieser Zeit war der einzige Weg für mich ins Studio zu gehen, die Songs einzuspielen und sie der Öffentlichkeit preiszugeben.

Wie lange hast du für dieses Album gebraucht?
Der erste Song entstand Ende 2009. Das Fertigstellen der Aufnahmen im Sommer 2013.

Wie hast du dich während des ganzen Albumprozesses gefühlt? Und mit welchen Emotionen hattest du zu tun, als es released wurde?
Es war eine Erleichterung, als es rauskam. Und alles danach war eine Art Bonus, weil während der Zeit so viele Punkte unklar waren, ob sie überhaupt rauskommen bzw. veröffentlicht werden würden. Und als es dann publiziert wurde, war es ein unglaubliches Gefühl. Es existierte.

„Man will nicht mehr drinstecken“

Kann man es mit jenem Gefühl vergleichen, als würde ein Stein vom Herzen fallen?
Oh ja absolut… Auch wie mit jedem anderen Album. Man hat da seine Checkliste, die man Schritt für Schritt durchgeht. Und zu guter Letzt das Mastering. Und man will es dann einfach nur fertig haben: Einfach weg damit. Man will nicht mehr drinstecken (lacht).

Against Me! live (Photo: Milena Zivkovic)

Against Me! live (Photo: Milena Zivkovic)

Die Reaktionen drauf waren ja unglaublich…
Wirklich sehr positiv. Sehr positiv!

In den letzten Jahren gab es viele Veränderungen, unter anderem hatte Against Me! einen Bandmitgliederwechsel. Hast du das kommen sehen?
Ich meine, es gibt Sachen, die du kommen siehst. Beim Drummer (vor Adam) habe ich es kommen sehen. Es war keine Überraschung. Als Andrew ging, war ich schon überrascht. Aber es ist diese Art von Dingen, mit denen man als langjähriger Musiker in einer Band rechnen muss. Dinge ändern sich. Man muss sich anpassen.

Es stehen so einige Tourdaten an, mitunter deine Solo-Tour ‚Killing me loudly‘. Der Titel ist ziemlich mächtig. Kannst du uns mehr darüber erzählen und sagen, wie man sich so einen Konzertabend vorstellen kann?
In den letzten Jahre fing ich an Gigs in Colleges zu spielen. Das sind gesprochene Gigs – die Hälfte der Zeit spiele ich und die andere Hälfte spreche ich über die Songs. Ich habe an einem Buch gearbeitet und war gelangweilt ständig am Computer zu sitzen und zu tippen. Somit kam die Idee das Ganze live zu präsentieren. Es ist eine besondere Art die Songs live erzählerisch zu arrangieren, zwischen den Songs zu reden und diese fließend miteinander zu verbinden, um eine Geschichte zu kreieren. Es ist völlig anders, wie eine Performance mit der Band. Mit der Band ist es zu vergleichen, als würde man ‚Ramones‘ Songs runterspielen. Schnell, eins nach dem anderen. Die Solo Konzerte hingegen sind ein Mix aus gesprochenem Wort und der Musik.

Against Me! gewann den GLAAD Media Award for Outstanding Musical Artist 2015. Deine Dokumentation ‚True Trans‘ ist nominiert im Bereich Outstanding Documentary für die New York GLAAD Media Awards, die am 9. Mai 2015 stattfinden. Viel Glück schon vorab. Ich habe mir deine Dokumentation ein paar Male angesehen und muss sagen, dass sie sehr gelungen ist. Meiner Meinung nach macht sie nicht nur Personen Mut, die mit dem Thema Transgending konfrontiert sind, sondern auch allen anderen, weil das Leben ständig ein Wandel ist. Laura, was bedeutet diese Dokumentation für dich? Was war der entscheidende Punkt, diese zu machen?
Als ich angesprochen wurde eine Doku dieser Art zu machen, war ich sehr offen. Ich schlug die Idee vor, eine Liste von Menschen zu machen, mit jenen ich in Kontakt treten und reden wollte. Das klappte super und diese Leute kamen dann mit auf Tour. Jeden Tag hatte ich 2-3 Gespräche mit unterschiedlichen Persönlichkeiten. Die Kameras waren da, um Material, Gespräche von jedem Einzelnen einzufangen. Ich wollte jeden persönlich kennenlernen und sehen, welche Unterschiede es gibt, welche Erlebnisse sie allgemein hatten. Ich wollte Geschichten von Menschen hören, welche sich in den 80ern, oder früher in der Umwandlung befanden versus Menschen, die gerade eine Umwandlung durchmachen usw. Es war mir wichtig zu zeigen, dass es nicht einfach von Box A nach Box B geht, sondern es verschiedene Variationen gibt. Das war eine super Gelegenheit, tolle Gespräche zu führen und all die Menschen zu treffen. Ich bin noch immer in Kontakt mit diesen Leuten und sehe sie als meine Freunde.

„Egal in welche Stadt ich gehe – ich habe meine Leute“

Against Me! live (Photo: Milena Zivkovic)

Against Me! live (Photo: Milena Zivkovic)

Laura du bist ziemlich aktiv in letzter Zeit und gibst Leuten gerne Aufklärung und Ratschläge. Die Rede ist von der Mandatory Happiness-Kolumne. Was ist die Idee dahinter?
Ich bin wirklich sehr aktiv (lacht) auf Facebook, Twitter und so Zeugs. Und Ozzy, der mein Herausgeber/Editor (Noisey) ist, fragte mich warum ich nicht gleich eine Kolumne starte, weil schon Fans die Fragen anderer auf Facebook und Twitter beantworten. Ich fand die Idee super und war gleich damit einverstanden. Es ist fast wie eine persönliche Konversation mit den Leuten- ein Hin und Her – ein Nehmen und Geben. Die Leute stellen Fragen und ich bin froh, wenn ich meine Erfahrungen mit Ihnen teilen und zeigen kann und versuche mich in Situationen hineinzuversetzen. Ich profitiere genauso, weil ich oft darüber nachdenken muss, was die passende Antwort auf die Frage ist und lerne oft dazu.

Ich finde es sehr wichtig eine Community zu haben, egal jetzt in welchem Bereich oder welcher Lebensphase, mit der man sich austauschen und über Erfahrungen sprechen kann. Wie sieht es bei dir aus?
Ja, auf jeden Fall. Das ist ein Teil von dir. Es ist eine Art von Punk Rock, keine Barrieren zwischen uns zu haben. Egal in welche Stadt ich gehe, habe ich meine Leute – meine Community. Wenn ich Hilfe brauche, sind sie da und das ist unglaublich wichtig.

Ist neue Musik auf dem Weg?
Ja! Immer (lacht). Wir sind gerade dabei unser Live-Album fertigzustellen. Es ist gerade beim Mastern. Wir arbeiten auch an einem neuen Album, aber wir sind jetzt hauptsächlich bis September auf Tour. Hoffentlich habe ich danach Zeit es aufzunehmen (lacht).

Wenn du dein Leben in einem Wort beschreiben könntest, welches wäre das?
Nur ein Wort? (lacht). Dann sag ich einfach: interessant

Was ist dein Lieblingsplatz, Songs zu schreiben?
Im Bus ganz früh am Morgen, wenn noch alle schlafen und die Sonne aufgeht. Das ist ein besonderes Gefühl.

„Ich kann offen sein und muss nichts verheimlichen“

Wie hat deine Transition deinen kreativen Prozess beeinflusst?
Auf eine fantastische Weise. Ich fühle mich verstanden. Das war ein großes Problem davor. Ich schrieb Songs und Menschen konnten keinen konkreten Kontext finden. Sie wussten nicht, woher die Lyrics kamen, geschweige dessen was sie bedeuten. Jetzt ist alles anders. Ich kann offen sein und ich muss nichts verheimlichen.

Was sind deine bevorstehenden Pläne? Was hören/sehen wir von dir als nächstes?
Ich habe sehr viel zu tun mit der Band, der Mandatory Happiness Kolumne und der Arbeit an einem Buch. Außerdem habe ich auch an dieser TV Show namens Rebel Music gearbeitet, die auch auf MTV läuft – hier wird der Fokus auf die Protestmusik aus verschiedenen Teilen der Welt gelegt. Wir befinden uns gerade in der zweiten Staffel – über Venezuela, Myanmar, amerikanische Ureinwohner, Iran und viele andere Plätze – hier bin ich hinter den Kulissen als Musik-Regisseuren zuständig.

Du hast das letzte Wort, Laura. Möchtest du irgendetwas loswerden oder deinen Fans sagen?
Danke fürs Zuhören. Danke für die Unterstützung. Ich schätze das sehr.

Danke dir Laura. Wir wünschen dir das Beste für deine weiteren Schritte. Sei gesegnet und geliebt!

Interview: Kinga Dula
Photography: Milena Zivkovic

www.againstme.net