Freunde (und Freundinnen, natürlich) von Reportink.com,
wie könnte man besser in eine Woche starten, als mit einer neuen Ausgabe aus unserer Reihe Tätowierer der Woche. Dieses Mal haben wir für euch einen alten Haudegen der Szene am Start. Wir präsentieren: Fide vom Für Immer Tattoo in Berlin.
Reportink: Hi Fide, wie schön, dass wir Dich in dieser Woche in unserer Kategorie „Tätowierer der Woche“ unseren Lesern präsentieren können. Auch wenn es wahrscheinlich nicht nötig ist: Sei doch so lieb, und stelle Dich einfach kurz mal vor.
Fide: Moin, ich wurde im Sommer 1965 in einer süssen kleinen Stadt an der Nordseeküste geboren. Als ältester Sohn einer Bande kunstliebender Seeräuber, dem die Seefahrt zu anstrengend und die Kunst zu langweilig war, blieb eigentlich nichts ausser Wirt oder Tätowierer. Um’s kurz zu machen: eine glückliche Kindheit, dann Schule, Zivildienst, Ausbildung zum Schildermaler und danach jede Menge Zeit auf den Straßen Europas.
Damals haben zwei Freunde von mir in einer ziemlich betrunkenen Nacht sowas Ähnliches wie eine Tätowiermaschine zusammengeschraubt. Da ich der mit dem „künstlerischen“ Talent war, wurde ich am nächsten Morgen Tätowierer. Mit dem Ding bin ich dann Mitte der 80er durch die besetzten Häuser Europas gereist und hab eifrig gefährliche Körperverletzung betrieben. In Barcelona hab ich einen Typen kennengelernt, der konnte das richtig gut, mit richtigen Maschinen und Nadeln. Andrea aus Italien, DANKE.
Von ihm bekam ich ’ne kurze Anleitung, wie man Nadeln lötet und die Telefonnummer von Micky Sharpz. Das waren damals noch sowas wie Staatsgeheimnisse. Die T-Dial, eine der Maschinen, die ich dann bei Micky bestellt habe, läuft heute noch wie ’ne Eins. Das Meiste hab ich mir selbst erarbeitet, dumme Fragen brauchtest du in einem der wenigen Tattoo-Studios nicht stellen und Internet war halt auch noch nicht. Trial and error, ich hab echt ’nen Haufen beschissene Tattoos gemacht, sorry Leute. Nachdem ich ein paar Jahre daheim und auf Reisen tätowiert hatte, bot mir Berit im damals nagelneuem Tatau Obskur ein Plätzchen als Gast an. Ich blieb fünf Jahre. Danke. 1999 hab ich dann mit Jan das „Für Immer“ eröffnet. Der Laden läuft seit dem mit unterschiedlicher Crew. Wir hatten und haben internationale Gäste und sind sowieso das geilste Studio der Welt.
„Es macht einfach Spaß, mit Farben zu arbeiten“
Farbig bis knallbunt, Comics, von Old School bis New School: So kenne ich Deine Motive. Wo in all dem Dschungel würdest Du Dich persönlich am ehesten einsortieren?
Fide: Ja, irgendwie bin ich da wohl gelandet. Es macht einfach Spaß, mit Farben zu arbeiten. Ich glaube, ich habe angefangen mich tattoo-technisch zu entwickeln, als diese ganze „new school“ Welle aus den Staaten hier ‚rüber geschwappt ist, das hat mich dann ziemlich beeinflusst. Fette Linien und knallige Farben und Motive, über die man auch mal lachen kann. Allerdings mag ich mich nicht auf einen Stil festlegen. Wenn mich eine Idee begeistert, dann kann daraus auch durchaus mal ein black and grey Tattoo oder was ganz anderes werden. Spezialisierung ist nix für mich.
In Deinem Studio bist Du ja nicht allein. Wie viele Tätowierer gehen derzeit bei Euch ihrem Handwerk nach? Und welchen davon sollte man unbedingt im Auge behalten?
Fide: Momentan sind wir mit acht Leuten am Start. Das klingt ein wenig nach Fabrik, ist aber nicht so. Bis auf Jan und mich sind alle ziemlich viel unterwegs, Gastauftritte in anderen Shops, Conventions und so Sachen. Es kommt also selten vor, dass wirklich alle gleichzeitig da sind. Im Auge behalten müsst ihr natürlich alle!! Mein Partner Jan macht unglaublich geile Asia Tattoos, Alessandro macht klasse Old School mit ’nem ziemlich psychedelischen Touch, Jason ist ein super sauberer Allrounder – unglaublich präzise.
Ryoki macht schöne filigrane und asiatische Geschichten, Csaba und Walde sind einfach mal zwei grossartige Tätowierer. Zur Zeit arbeitet noch Benjamin Moss bei uns, den brauch ich glaube ich nicht weiter vorstellen. Toshihide bietet momentan traditionelle japanische Tätowierungen in der Teboritechnik an, die er bei Meister Hori Toshi gelernt hat. Phil macht alle Arten von Piercings und Eser hält den ganzen Irrsinn zusammen.
Wie läuft bei Dir für gewöhnlich ein Termin ab? Kommen die Leute mit fertigen Ideen in den Laden und Du kannst im Idealfall gleich loslegen? Oder werfen sie Dir einfach nur grobe Vorstellungen hin und Du musst was draus machen?
Fide: Ich DARF aus den hingeworfenen Brocken was machen! Ich vereinbare erst mal sowas wie Beratungstermine, dafür lass ich die Leute dann „Wunschzettel“ schreiben, die wir dann gemeinsam durchgehen und auf ein realistisches Maß zasammenschneiden. Ich hab komischerweise selten Kunden mit fertigen Ideen, das macht für mich auch den Reiz an der Sache aus. Wir verarbeiten oder erzählen da eher gemeinsam Geschichten. Danach setz ich mich an die Skizzen und dann kommt eins zum anderen und wird im besten Fall ’ne schöne Tätowierung.
„Mich hat das Spiekerooger Inselfieber gepackt“
Wenn jemand unbedingt einen echten Fide auf der Haut tragen möchte, wie kommt man am besten an einen Termin bei Dir?
Fide: Anrufen, Beratungstermin ausmachen und mich mit ’ner tollen Idee überzeugen. Ist garnicht so schwer, oder? Dann braucht es nur noch ein wenig Geduld, aber soo voll ist mein Kalender auch nicht.
Wer es nicht weiß, der Spiekerooger Tattoo-Treff hatte in den vergangenen Jahren einen festen Platz in Deinem Kalender. Wieso kommt ihr alle immer wieder so gerne dahin zurück?
Fide: Ich hatte schon lange den Traum von einer kleinen gemütlichen Convention auf einer Nordseeinsel – und auf einmal haben das diese drei Spinner einfach gemacht. Da musste ich einfach hin. Und seit dem ersten Tattoo-Treff hat mich das Spiekerooger Inselfieber gepackt. Das ist einfach was völlig Anderes. Das ist wie ’n Familientreffen.
Ich hab auf einem ganzen Haufen Conventions gearbeitet, da gabs wirklich skurrile Sachen, wie z.B. Trancoso/Bahia in Brasilien. Da haben wir nur nachts auf dem Dorfplatz unter Palmen tätowiert, weil es tagsüber zu heiß war und wir am Beach rumhängen mussten. Oder so Monster Events wie Frankfurt oder Sao Paulo. Aber auch echt schöne Messen wie die Anfänge in Wien und München. Mönchengladbach ist auch ’ne super Veranstaltung, aber Spiekeroog ist eben ’ne Nordseeinsel ohne Autos und die Fähre fährt nur zweimal am Tag.
„Wir sind keine verdammten Rockstars“
Ich weiß, dass viele Tätowierer quasi zu Dir aufschauen, Dich als Vorbild sehen. Auch ich war damals ziemlich nervös, als ich Dir das erste Mal über den Weg gelaufen bin. Immerhin waren Deine Arbeiten fast monatlich in den diversen Magazinen zu sehen. Wie gehst Du mit dieser Art von Ruhm um? Belastet das, oder macht das einfach nur stolz?
Fide: Was ist ’n das für ’n Quatsch?? Natürlich freue ich mich über Lob von Kollegen, aber das wars dann auch. Wir sind Tätowierer und keine verdammten Rockstars. Gegenseitiger Respekt ist mir da viel wichtiger.
Wer oder was inspiriert Dich zu Deinen Werken?
Fide: Inspiration und Anregung finde ich überall, ich versuch mit offenen Augen durch die Gegend zu laufen. Außerdem liebe ich Bilderbücher jeder Art. Im Laufe der Jahre haben Jan und ich eine recht stattliche Bibliothek zusammengetragen und wenn ich Zeit habe, dann schnapp ich mir halt ’n Buch.
Mit welcher Art von Maschine arbeitest Du?
Fide: Spule! You can’t teach an old dog new tricks.
Vielen Dank, Fide, für das Interview. In den kommenden Tagen (Mittwoch und Freitag) zeigen wir ja noch einige Deiner Lieblingsstücke hier auf Reportink. Wir freuen uns drauf!
Für Immer Tattoo Berlin
Inhaber: Fide Albrand und Jan Kurze
Revaler Str. 11
10245 Berlin
Telefon: 030 29004947
E-Mail: mail@fuerimmertattoo.de
Website: http://www.fuerimmertattoo.de
Facebook: Für Immer Tattoo
Reportink.com Serie “Tätowierer(in) der Woche”
Tätowierer(in) der Woche #1: Kristin Schubert vom Holy Diver Custom Tattoo
Tätowierer der Woche #2: Sven Gnida vom Dark Concepts