Snüden – oder Snueden, wie wir ihn bei Reportink bislang immer geschrieben haben – war 2013 einer unserer ersten, großen Feature-Tätowierer. Wir haben uns gefragt: Was hat sich seitdem getan bei Monkey Business Tattooing in Forchheim? Grund genug für uns, ihm sechs Jahre später die selben Fragen noch einmal zu stellen.

Was war das damals aufregend. Reportink war gerade einmal ein Jahr am Start, doch schon da hatten wir uns einen Namen in der „Szene“ gemacht. Ob auf Tattoo-Conventions oder bei diversen Treffen mit Tätowierern in deren Studios, wir wurden immer mit offenen Armen empfangen.

Snüden: bis heute der meistgelesene Beitrag auf Reportink

Zu dieser Zeit hatten wir noch unseren Richie an Bord. Und der hatte den unbedingten Willen, ein Interview mit Snüden zu führen. Denn dessen Kunst hatte es ihm angetan. Also hat er angefragt, die Zusage bekommen – und das Ganze konnte losgehen.

Bis heute ist das Interview der meistgelesene Beitrag bei Reportink – und er wird immer noch häufig gelesen. Also war klar: Hier muss ein Update her. Snüden war von der Idee auch gleich angetan und hat sich der alten Fragen noch einmal angenommen. Wir versuchen mal, die beiden Interviews irgendwie miteinander zu verbinden (Anm. d. Red.: Passagen, die Snüden nicht verändern wollte, haben wir mit * versehen und kursiv gesetzt.).

Viel Spaß beim Lesen 😉

Hey Snüden, wir machen es heute wie in der Schule. Stell dich doch einfach mal vor.

Snüden: Hallo und erst mal Danke für euer Interesse an meiner Person und Arbeit. Mein Name ist Snüden, ich bin mittlerweile 44 Jahre alt und immer noch waschechter Franke. Ich bin Vater dreier Mädchen und einem Sohn.

1998 habe ich meinen ersten Shop in Forchheim eröffnet. Das „Monkey Business Tattooing“ existiert jetzt bereits seit 14 Jahren.

Du bist seit 1996 im Geschäft. Wie kam es dazu, dass du Tätowierer geworden bist?

Snüden: *Schicksal, würde ich mal sagen. Gezeichnet habe ich schon immer. Meine erste Tätowierung habe ich Anfang der 80er bei einem Typ im Schwimmbad gesehen, den ich auch fragte, ob ich sie mir näher betrachten darf. Es war ein klassischer „Hunnenschädel“ auf dem Unterarm. Weiß ich noch ganz genau. Von da an war das Interesse geweckt.

„Ich bemalte oft die Lederacken der Punks“

Anfang der 90er kam ich in die Punk- und Hardcoreszene, da gehörten Tätowierungen einfach dazu. In dieser Zeit bemalte ich oft die Lederjacken der Punks. Mit 19 Jahren ließ ich mich das erste Mal tätowieren. Das Ding war so kacke, dass ich mir dachte, das könnte ich besser. Hatte aber nicht die Eier,  mir Maschinen zu kaufen, geschweige denn wusste ich wo.

Da gab’s noch kein Equipment im Internet hinterhergeschmissen.

In dieser Zeit hab ich mich in Graffiti probiert und ein paar Mark damit verdient. Zeitgleich war ich an der Fachoberschule für Gestaltung, an der ich mein Abitur machte. Danach wollte ich auf keinen Fall Werbegrafik oder Ähnliches studieren. Das Graffitiding war durch, auch sonst sah ich keinen Weg, Geld mit meiner Kunst zu verdienen.

Daraufhin schmiss ich alle Zeichensachen ins Eck und war  frustriert, wollte nie mehr einen Strich malen. Nach dieser, eigentlich für mich endgültigen Entscheidung entwickelte sich überraschenderweise alles zum Positiven. Ich erfuhr über einen Kumpel von einer „Lehrstelle“ als Tätowierer, bei der ich dann auch angefangen habe.*

Snüden versucht, dem Ganzen eine meditative Richtung zu verleihen

Nach so vielen Jahren als Tätowierer, bleibt der Job da überhaupt noch aufregend, oder kehrt hier auch die Routine ein?

Snüden: *Klar, bleibt der Job noch aufregend, aber der Ablauf wird natürlich routinierter. Ich bin besessen von meinen Beruf, der Tätowierung an sich und bin jeden Tag dankbar, dass alles so gekommen ist. Ich werde des Tätowierens nicht müde. Ich gebe eher noch mehr Gas als früher, umgebe mich mit großartigen Künstlern, die mich weiter inspirieren, nicht stehen zu bleiben. Es gibt immer etwas Neues oder man kann die Kunden im Gespräch von einer außergewöhnlicheren Idee überzeugen.*

Momentan versuche ich immer noch die perfekte Tätowierung mit den höchsten künstlerischen Ansprüchen anzufertigen, aber ich versuche auch dem ganzen Prozess mehr Aufmerksamkeit zu geben. Sprich, dem Ganzen eine meditative Richtung zu verleihen. Meine Erfahrungen aus Yoga und Jiu Jitsu geben mir da das nötige Wissen, um das  Gefühl  der absoluten Präsenz zu erreichen.

Ist natürlich mit sehr viel Übung verbunden. Der Kunde ist ja schon alleine durch den Schmerz im Augenblick. *lacht* Durch die etwaige Bedeutung des Designs wird der ganze Prozess dann hoffentlich noch abgerundet.

Nicht mehr zu übertreffende Kunstform – und doch langweiliger Scheißdreck

Was meinst du hat sich in all den Jahren, in denen du jetzt tätowierst, am meisten verändert in der Szene?

Snüden: *Sie ist enorm gewachsen. Früher war es übersichtlicher, man hat sich gekannt. Heute werden oft Tattoos angefertigt, die nur dem Portfolio dienen und nicht wirklich gegen die Jahre bestehen können. Obwohl sie manchmal künstlerisch gesehen genial sind, aber meiner Ansicht nach eher auf eine Leinwand als in die Haut gehören. Auch machen viele Kunden ihre Auswahl des Tätowierers abhängig von Verfügbarkeit und Preis, anstatt von der Qualität der Arbeit.

Es gibt aber auch immer mehr junge, herausragende Künstler, die tolle Tattoos anfertigen. Aber leider auch viele, die durch die Modernisierung der Tattooszene oft nicht verstehen, was hinter dem Bild auf der Haut noch für ein Know-how steht (z.B. selber Nadeln löten, Maschinen bauen bzw. pimpen, Pigmente mischen, etc.) und wie hart es war, sich dieses Wissen anzueignen. Das hat früher einen kompletten Tätowierer ausgemacht.*

Tätowieren ist 2019 die wahrscheinlich allergeilste und im Einzelnen an Innovation fast nicht mehr zu übertreffende Kunstform des 21 Jahrhunderts. So viel Talent da draussen… aber gleichzeitig, in dem verwässerten Mainstream, sich immer wieder gegenseitig kopierend, nach Anerkennung heischend langweiliger Scheissdreck.

Ich persönlich möchte mein Leben  nicht von Zuspruch aus dem SocialMedia abhängig machen, wobei ich natürlich davor auch nicht gefeit bin.

Um die Liebe zur Tätowierung nicht zu verlieren habe ich mir mit meinen Kollegen einen kleinen Tattookosmos aufgebaut. Da ist die Begeisterung durchaus noch vorhanden 😉

„Mit ‚früher war alles besser‘-Gejammer ist einem ja auch nicht geholfen“

Gibt es Dinge die sich deiner Meinung nach besser nicht geändert hätten?

Snüden: *Naja, das Mystische und Geheimnisvolle der Tätowierung, wie ich sie anfangs kennenlernen durfte, ging durch die mediale Präsenz verloren. „It smells a little bit like sellout…“

In den 80ern wollte jeder „Guns’n’Roses“ sein, heutzutage halt jemand von „bla bla INK“. Ich denke das geht auch wieder vorüber.*

Ha. Es ist eher noch schlimmer geworden. Aber mit „früher war alles besser“-Gejammer ist einem ja auch nicht geholfen. Da bleibt nur weiter an sich zu feilen und nicht den Faden zu verlieren. In den nächsten Jahren wird es wohl für die Meisten in unserem Business ziemlich unangenehm werden. Umorientierung ist leider jetzt schon Thema bei dem einen oder anderen.

Snüden will Tätowierungen machen, die auch in 40 Jahren noch gut aussehen

Erzähl‘ doch mal was über deinen Stil; wenn ich das richtig sehe, vermischst du gern Elemente aus verschiedenen Stilrichtungen. Was reizt dich daran besonders?

*Gerade die „Vermischung der Stile“ macht meine Berufung interessant und nie langweilig. Ich lasse mich in keine Schublade pressen, weder künstlerisch noch in unserer Gesellschaft. Ich unterteile eher in sinnvoll bzw. sinnlos.

In erster Linie würde ich meinen Stil als „westlich traditionell“ bezeichnen. Viel mehr bedeutet für mich traditionell keine Stilrichtung, sondern steht für die Arbeitsweise: satte Linienführung, satte Schattierungen einfache Farbgebung und deswegen lange Haltbarkeit.

Ich versuche Tätowierungen anzufertigen, die auch in 40 Jahren noch gut aussehen. Ende der 90er, Anfang 2000 fertigte ich viele schwarz-grau Tattoos an, inspiriert von Jack Rudy, Leu oder Booth, die diesen Regeln unterliegen und rückblickend gut aussehen und immer noch klar lesbar sind.

Ein „Eyeopener“ für mich waren die alten „Tattootime“ Bücher von Ed Hardy. Die amerikanische Tätowierung, wie sie anfangs in der Bayarea angefertigt wurde, hat mich nachhaltig beeinflusst. Es gibt so viele Elemente aus dem Western Traditional, Asiatischen- oder Chicano-Style, die ich einfach großartig finde.*

Ich konzentriere mich momentan wieder mehr auf grössflächige, japanische Arbeiten. Nach meinem ersten Japantrip 2018 mit meinem Kumpel Olaf Lobe (True Love), bin ich wieder mit der Mythologie und Bildsprache der japanischen Kultur der Edo Periode beschäftigt.

Die Reise nach Japan und der daraus entstandene Diskurs hat mich sehr beeindruckt und ich konnte wieder nahtlos an mein altes Fable für ZEN anknüpfen, das vor über 20 Jahren durch die japanische Kampfkunst  geweckt wurde.

Das Streben nach Perfektion wie in der japanischen Kultur ist beispielhaft und nicht ohne Engagement zu erreichen.

Wenn ein Kunde in deinen Laden kommt, wie hast du es da lieber? Jemanden der dir genau sagt, was er will, oder jemand der nur eine Idee, bzw. Vorstellung hat und dich recht frei arbeiten lässt?

Snüden: *Ich habe das Glück, mir einen großen Kundenstamm erarbeitet zu haben. Sie geben mir eine Grundidee und lassen mir die Freiheit, alles so umzusetzen, wie ich es möchte.*

Das ist nach wie vor der Fall, allerdings poste ich schon mal von Zeit zu Zeit ein „Wannado“. Das läuft auch ganz gut – ein nicht zu leugnender Vorteil von SocialMedia. Das WannaDo-Prinzip ist dann für alle Beteiligten eine win/win Situation.

Wie hältst du es mit der Terminvergabe? Viele Shops haben meist feste Tage im Jahr, an denen die Leute Termine vereinbaren können.

Snueden: *Ganz normale Öffnungszeiten, bei denen jeder mal reinschnuppern kann. MBT ist eine Mischung aus Custom und Streetshop. Ich selbst arbeite nur noch mit einer Warteliste. Das macht meine Lebensplanung einfacher. Da ich alles vorher zeichne, ist die Vorbereitung besser und das Ergebnis zufriedenstellender für alle Beteiligten.*

Hat sich nicht viel geändert. Allerdings, Wannado`s schiebe ich  dazwischen… uuuund falls jemand ein japanisches RückenBrett von mir haben möchte, muss diese Person auch nicht lange warten!!!

Als Tätowierer erlebt man ja so die tollsten Sachen, was war so dein verrücktestes Erlebnis bis jetzt?

Snüden: *Da gab’s einige… Das Durchgeknallteste war glaub ich ein Typ, der einen Laptop ins Gesicht wollte oder ein Arschloch auf die Stirn. Der hat so viele komische Sachen gefaselt, dann hab ich Ihn rausgeworfen. Innerhalb von ein paar Wochen hat er mir noch zwei Briefchen in den Briefkasten geschmissen, mit lustigem Inhalt. Die hab ich mir gerahmt und aufgehängt 😉

Erst dachte ich, den hat mir ein Kumpel auf den Hals geschickt, der wusste aber von nichts…*

Spule oder nicht Spule: Womit arbeitet Snüden?

Karten auf den Tisch: Spule, Rotary, Cheyenne – und warum?

Snüden: *Wer anfängt zu tätowieren, sollte mit Spule arbeiten. Die Dinger haben einen Grund, so zu laufen wie sie es tun.

Ich selbst bin auf Swashdrive und ein Paar Rotary von Shag umgestiegen. Ab und zu ziehe ich noch Linien mit Spule.

Ich habe einfach keine Zeit und Lust mehr, an den Spulenmaschinen zu schrauben. Aber da ich vor kurzem erschreckenderweise mitgeteilt bekam, dass es jetzt auch Reparaturservice für die Spule gibt…*

Momentan bin ich wieder zu 95% auf Spule…

Gibt es Kollegen, von denen du behaupten kannst, dass sie deine Arbeit maßgeblich beeinflusst haben?

Snüden: *Ja, Osti hat mir sehr viel Hintergrundwissen mitgeteilt, danke an dieser Stelle. Nachdem ich Jason Kundell getroffen habe, hat sich meine Arbeitsweise komplett verändert.

Außerdem Horiyoshi II u. III, Hardy, J.Rudy, Mick, Leu, Chris Conn, Pacheco, Grime, A.Cain und wie sie alle heißen.*

Grundsätzlich beeinflussen mich aber alle in meinem Umfeld, man sollte ja nie auslernen! Da kann ich mir natürlich immer wieder etwas abkucken. Meine Kollegen Imme und Henning Forster, oder permanente Gäste wie Julien Gomez sind ja auch in der Marterie abgetaucht, da herrscht schon reger Austausch und jeder schmeisst wieder etwas auf den Teller 😉 .

Gibt es nach all den Jahren in der Branche noch ein Motiv oder ein Konzept, dass du unbedingt noch unter die Haut bringen möchtest?

Snüden: Klar einen kompletten Bodysuit auf einer „Tattoojungfrau“. Oder japanische Geister, die total komisch aussehen mit Geschlechtsteilen… hehehe

Was hast du dir zuletzt stechen lassen?

Snüden: Ich habe mir in den letzten Jahren die Arme teilweise lasern lassen, um mir meine Sleeves von Kelu „vervollständigen“ zu lassen. Ich habe die alten Dinger zwar nicht bereut. Aber irgendwann dachte ich, ich hätte gerne die Ärmel, die zu der Qulität passen, die man selber  abliefert.

Mal zum Thema Nachwuchs: Hast du Lehrlinge, bzw. bildest du auch aus?

Snüden: *Schweres Thema… ich habe ausgebildet. Von 3 Leuten war einer Top, der Rest Flop… Ich werde so schnell keine Lehrlinge mehr annehmen, es kommt früher oder später eh die Situation auf uns zu wie in den USA, dass viele nichts mehr zu tun haben werden, weil‘s einfach zu viele Tattooshops gibt ;)*

Ich würde sagen, dass meine damalige Prognose leider voll eingetroffen ist….

Welche Voraussetzung sollte jemand mitbringen, der unbedingt Tätowierer werden möchte?

Snueden: *Talent… der Rest ist eiserner Wille, gepaart mit sehr harter Arbeit und man sollte bereit zum Verzicht sein…*

Da gibt es nichts hinzuzufügen!

An dieser Stelle war das alte Interview beendet – und auch das neue ist denke ich lang genug. Interessant war das Ganze aber damals wie heute. Wir hoffen mal, dass ihr genauso viel Spaß daran hattet, wie wir.

Take care,
Euer Norman